Zwei Bremer Gymnasiasten erforschen mit Unterstützung von Uni-Wissenschaftlern die Natur der Schleimpilze / Sieg beim diesjährigen Landeswettbewerb Jugend forscht
Schleimpilze gibt es überall in der Natur. Diese auf den ersten Blick primitiv wirkenden Einzeller verfügen über eine hochentwickelte Strategie, um Nahrung und Umweltinformationen zu transportieren. Dabei nutzen sie ein verzweigtes Adernetzwerk. Die beiden 15-jährigen Schüler Tobias Henke und Henrik Feuersänger vom Alten Gymnasium Bremen stießen eher zufällig auf Schleimpilze, erkannten aber schnell das Potenzial für weitere Anwendungsbereiche. Denn die Fähigkeit, Knotenpunkte so effizient miteinander zu vernetzen, könnte auch für andere Bereiche sinnvoll sein. Bei ihrer Recherche stellten sie fest, dass es an der Universität Bremen dazu einen Forschungsschwerpunkt gibt. Professor Hans-Günther Döbereiner und sein Team aus dem Fachbereich Physik / Elektrotechnik der Uni Bremen beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der Erforschung der Wirkungsweise von Schleimpilzen. Christina Oettmeier, Doktorandin im Team Döbereiner, erklärte sich schnell bereit, die beiden Gymnasiasten bei ihrer Forschungsarbeit für Jugend forscht zu unterstützen.
„Der einzige Weg einen Schleimpilz zu erwerben, war ein Biologieunternehmen in den USA“, erklärt Tobias Henke rückblickend. „Doch allein Porto und Steuern sollten über 100 Dollar kosten. Wenn die Uni uns hier nicht geholfen hätte, wäre unsere Forschungsidee geplatzt“. Auf kurzem Wege stellte Christina Oettmeier den beiden Nachwuchsforschern Schleimpilze zur Verfügung und erklärte ihnen die wichtigsten Forschungsmethoden. Nach einigen Wochen intensiver Arbeit stellten die beiden Schüler im März 2015 ihre Arbeit beim Bremer Landeswettbewerb Jugend forscht vor. Dabei setzten sie sich gegen eine Konkurrenz von knapp 600 Bremer Schülerinnen und Schüler durch. Sie gehören nun zu den sechs qualifizierten Bremer Schülern, die zum Bundeswettbewerb Ende Mai in Ludwigshafen eingeladen sind.
Die Forschungsarbeit der Schüler
Die beiden Gymnasiasten stellten unter anderem eine Petrischale mit Schleimpilzen auf eine Deutschland-Karte mit Autobahnverbindungen Auf die größeren Städte wurden Haferflocken als Nahrung für die Schleimpilze gelegt. Während sich das Netzwerk ausbreitete und der Schleimpilz sich auf die Suche nach Nahrung machte, stellte er Verbindungen zwischen den Haferflocken her. Denselben Versuchsaufbau wiederholten sie mit dem ICE-Streckennetz und einer schematischen Karte des Bremer ÖPNV. Nun verglichen die beiden Nachwuchs-Wissenschaftler das vom Schleimpilz gebildete Transportnetzwerk mit der existierenden Infrastruktur und fanden heraus, dass es viele Ähnlichkeiten, aber auch einige Unterschiede gab. Während es beim ICE-Streckennetz viele Übereinstimmungen zwischen Raumplanern und Schleimpilz gab, suchte der Schleimpilz in der Abbildung des Straßenbahnnetzes in Bremen nach anderen Wegen. In der Bremer Innenstadt behindern eben doch viele Gebäude eine optimale Trassenführung. Eine Überraschung hatte der Schleimpilz noch in petto: Er verband zwei Haferflocken mit einer neuen Brücke über die Weser. Tobias Henke und Henrik Feuersänger recherchierten und fanden kurzerhand heraus, dass eine neue Weserbrücke durchaus in Planung ist.
Christina Oettmeier ist stolz auf die beiden Nachwuchsforscher, denn sie haben ein schwieriges und ungewöhnliches Forschungsgebiet hervorragend bearbeitet: „Tobias und Henrik haben sehr selbständig gearbeitet und viele neue Ideen entwickelt. Ihre Arbeit, die sie auch an unserem Institut vorgestellt haben, kann sich sehen lassen“. Henke und Feuersänger wollen auf jeden Fall weitermachen. Die nächsten Schritte sind Versuche unter Berücksichtigung der Topographie. „Wir danken dem Team von der Uni Bremen welches immer wieder dazu beigetragen hat, das Projekt weiter zu verbessern und uns jetzt auch unter Laborbedingungen in der Universität weiterforschen lässt“, freut sich Henrik Feuersänger.
Die Bedeutung der Schleimpilze in der Wissenschaft
Die Erforschung von Transportnetzwerken des Schleimpilzes zeigt die verblüffende Eigenschaft dieser Organismen, den kürzesten und effizientesten Weg zwischen mehreren Nahrungsquellen zu finden. Während Computer komplizierte Algorithmen und viel Zeit brauchen, findet der Schleimpilz die Lösung für solche mathematischen Probleme aufgrund von einfachen physikalischen und biochemischen Prozessen. Die Informationsverarbeitung in diesem gigantischen Einzeller ist ein faszinierender Vorgang, der sogar über den Ursprung von Intelligenz nachdenklich macht. Des Weiteren machte die Analyse des Transportnetzwerkes einige Gemeinsamkeiten mit anderen biologischen Transportnetzwerken deutlich. In einer 2012 veröffentlichten Studie über die Entstehung des Schleimpilz-Netzwerks aus ursprünglich unzusammenhängenden Teilen konnten Prof. Döbereiner und seine Mitarbeiter zeigen, dass unter anderem auch die Aderbildung in Tumoren den gleichen Regeln folgt. „Unsere Erkenntnisse sind für Krebstherapien sehr interessant. Da es essenziell ist die Blutversorgung in Tumoren zu unterdrücken ist eine medizinische Anwendung möglich“, zeigt sich der Bremer Biophysiker Döbereiner überzeugt.