Die bislang einzige Professur in Deutschland, ein Masterstudiengang, ein Labor, das von seiner Ausstattung her weltweit einzigartig ist, und die entsprechenden Forschungsergebnisse: Auf dem Gebiet der Biofabrikation ist die Universität Würzburg führend. Paul Dalton ist der bislang einzige Professor für Biofabrikation in Deutschland. Vor knapp einem Jahr ist der Australier an den Würzburger Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe in der Medizin und der Zahnheilkunde gewechselt. Inzwischen hat der 44-Jährige nicht nur einen Masterstudiengang „Biofabrikation“ organisiert, an dem neben der Würzburger Uni auch Universitäten in den Niederlanden und in Australien beteiligt sind. Er hat auch ein Labor aufgebaut, das weltweit einzigartig ist.
Ein Pionier des Melt Electrospinning Writings Dalton ist der international führende Pionier auf dem Gebiet des sogenannten Melt Electrospinning Writings (MEW). „Mein Hauptforschungsgebiet ist es, definierte Gewebe mit Hilfe dieser Technik zu erzeugen“, sagt der Wissenschaftler. Beim MEW werden Polymere in einem elektrischen Feld zu extrem dünnen Fäden gesponnen und anschließend zu feinen Gittern angeordnet. Auf diese Weise erzeugen Dalton und seine Mitarbeiter neuartige Gewebe auf der Basis von Strukturen, die nur wenige Nano- bis Mikrometer groß sind. Beim Tissue Engineering und in der regenerativen Medizin dienen diese Gitternetze als Grundgerüst für körpereigene Zellen, die dort nach und nach neues Gewebe bilden.
Der große Vorteil von Daltons Methode ist, im Gegensatz zu herkömmlichen elektrostatischen Spinnverfahren, dass er komplett auf den Einsatz organischer Lösemittel verzichtet. Durch die Verarbeitung von als Medizinprodukt zugelassenen Polymeren können die mittels MEW hergestellten Strukturen damit potentiell sehr schnell in die Klinik gebracht werden. „Hier ist vor allem die Regeneration von Weichgewebe wie Muskeln, Nerven und Haut das erste Ziel“, sagt Dalton. Weil das Implantat aus körpereigenen Zellen aufgebaut wurde, kommt es zu keiner Abstoßungsreaktion; das Immunsystem muss nicht medikamentös unterdrückt werden. Und die Faserstrukturen werden nach einem definierten Zeitraum restlos vom Körper wieder abgebaut. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass sie in wenigen Jahren in der Lage sein werden, mit Hilfe dieser Technik beispielsweise Frauen nach einer Brustkrebs-OP das Brustgewebe wieder aufbauen zu können.
Bei der Weiterentwicklung dieser dreidimensionalen Gitternetze ist Dalton jetzt gemeinsam mit Wissenschaftlern der Queensland University of Technology sowie der Universitäten in
Utrecht und Oxford eine bedeutende Verbesserung gelungen. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications stellen die Forscher ihre Arbeit vor.
Publikation in Nature Communications „Wir konnten Hydrogele mit von uns entwickelten Geweben so verstärken, dass das Produkt annähernd so steif war wie natürlich vorkommender Gelenkknorpel und dennoch seine Elastizität behalten hat“, fasst Dalton das zentrale Ergebnis dieser Arbeit zusammen. Dies stelle einen echten Durchbruch dar, da Hydrogele bisher zwar in ihrer Interaktion mit Zellen sehr gut konstruierbar waren, die mechanischen Eigenschaften allerdings im Allgemeinen sehr schlecht sind.
Dabei ist es äußerst wichtig, die natürliche Umgebung so perfekt wie möglich zu imitieren, da Zellen im natürlichen Gewebe auf verschiedene Arten von mechanischer Beanspruchung reagieren – beispielsweise auf Druck, Zugspannung und auf Scherkräfte – und erst dadurch zu der gewünschten Aktivität angeregt werden. Je ähnlicher die künstliche Matrix auch hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften der natürlichen ist, desto größer ist also die Wahrscheinlichkeit, dass die Zellen sich dort wie gewünscht verhalten, sprich: eine gewebespezifische Matrix ausbilden und so das beschädigte Gewebe reparieren und regenerieren. „Und die Kompressionsfestigkeit ist vor allem für Gelenkknorpelgewebe, welches der natürlich Dämpfer zwischen den Knochen ist, von enormer Bedeutung“, so Dalton.
Eine gute Grundlage für die Produktion von Gewebeersatz
Die jetzt vorgestellte Entwicklung des internationalen Forscherteams könnte daher eine Lücke schließen. Ihr Material ist deutlich fester als bisher übliche Gewebe – der entsprechende Wert liegt um das 50-fache höher. Dennoch bleibt die Elastizität erhalten. „Unser Ansatz, Hydrogele mit dreidimensionalen gedruckten Mikrofasern zu verstärken, bietet also eine gute Grundlage für die Produktion von Gewebeersatz mit den benötigten Eigenschaften“, ist Dalton überzeugt.
Dass die Kombination aus Hydrogel und den von Paul Dalton entwickelten dreidimensionalen Netzwerken aus ultrafeinen Fasern annähernd die Bedingungen im extrazellulären Raum im Knorpelgewebe widerspiegeln, bestätigten weitergehende Versuche. Dafür brachten die Wissenschaftler Chondrozyten, also knorpelbildende Zellen, in einem Bioreaktor mit dem Gewebe in Kontakt und beobachteten das Verhalten der Zellen. Das ließ keine Wünsche offen: Die Zellen arbeiteten so, wie es von ihnen erwartet wurde, wie sich sowohl anhand der Genexpression als auch der Matrix-Bildung feststellen ließ. „Diese Kombination aus einem Hydrogel und einem Netz aus Mikrofasern stellt somit eine sowohl aus mechanischer als auch aus biologischer Sicht geeignete Umgebung für den Ersatz von Knorpelgeweben dar“, so Dalton.
Reinforcement of hydrogels using three-dimensionally printed microfibres. Jetze Visser, Ferry P.W. Melchels, June E. Jeon, Erik M. van Bussel, Laura S. Kimpton, Helen M. Byrne, Wouter J.A. Dhert, Paul D. Dalton, Dietmar W. Hutmacher & Jos Malda. Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms7933
Die Technik, mit deren Hilfe Dalton und seine Mitarbeiter ihre ultrafeinen Fäden produzieren, haben die Wissenschaftler selbst entwickelt und konstruiert. Mittlerweile stehen Geräte der fünften Generation in dem Labor des Lehrstuhls für Funktionswerkstoffe in der Medizin und der Zahnheilkunde. Ihre Besonderheit: Sie arbeiten ohne den Einsatz von Lösungsmittel und werden digital gesteuert. „Damit können wir das Design der Gewebe beliebig steuern. Die Ergebnisse zeichnen sich durch äußerst feine und flexible Strukturen aus, die je nach
Wunsch von Zellen besiedelt werden oder diese zurückweisen können“, erklärt Dalton. Darüber hinaus sind die Würzburger MEW-Maschinen äußerst zuverlässig und die technisch fortschrittlichsten weltweit. Wenn nötig, laufen sie 24 Stunden an sieben Tagen die Woche, „um neue, aufregende Produkte für die Medizin herzustellen“, wie Dalton sagt.
Zur Person
Paul Dalton hat Materialwissenschaften studiert; bereits in seiner Doktorarbeit am Lions Eye Institut in Perth (Australien) beschäftigte er sich mit der Entwicklung einer künstlichen Hornhaut für das Auge. Seine Postdoc-Zeit verbrachte er an der University of Toronto (Kanada) und an der Universität von Aachen. Dort arbeitete er unter anderem mit Hydrogelen für die Regeneration von Nerven. Als Forschungsstipendiat an der University of Southampton (Großbritannien) untersuchte er, inwieweit Hydrogel-Gewebe im Rückenmark Entzündungen verursachen. Zwischen 2009 and 2011 forschte Dalton sowohl an der Shanghai Jiao Tong University (China) als auch an der Queensland University of Technology (Australien.) Seit Mai 2012 ist er Professor für Biofabrikation am Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe in der Medizin und der Zahnheilkunde.
Der Masterstudiengang „Biofabrikation“
Im kommenden Wintersemester geht an der Universität Würzburg ein neuer, internationaler Masterstudiengang an den Start, in dessen Mittelpunkt exakt dieses Forschungsgebiet steht: BIOFAB oder ausgeschrieben „Biofabrication Training for Future Manufacturing“. Beteiligt an diesem weltweit ersten Angebot sind:
• Queensland University of Technology (Australien)
• University of Woollongong (Australien)
• University Medical Center Utrecht (Niederlande)
• Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Deutschland)
Jeweils zehn Studierende werden die vier beteiligten Universitäten in das Masterprogramm aufnehmen. Etwa die Hälfte des Studiums werden diese in Australien und in Europa absolvieren. Am Ende erhalten sie einen internationalen Master sowohl in Australien wie in Europa.
Mehr Informationen: http://www.biofabdegree.net
Quelle: Universität Würzburg