Berlin – Die aktuell in Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Sachsen geplanten neuen Ingenieurgesetze enthalten eine Reihe von Regelungen, die erstmals länderspezifische Prüfungen und Vorgaben für die Inhalte von Studiengängen durch die Ingenieurkammern ein-führen. Dadurch würden neue Ländergrenzen im Berufsrecht errichtet, die insbesondere für den deutschen Mittelstand die Rekrutierung von dringend gesuchten Ingenieuren erschweren. Die Einführung berufsständischer Sonderrechte für die In-genieurkammern stellt darüber hinaus die etablierte ingeni-eurwissenschaftliche Ausbildung in Deutschland in Frage.
Erforderlich werden die Novellierungen der Ingenieurgesetze in den Ländern durch die Übernahme der neuen EU-Berufsanerkennungs-richtlinie, die den weiteren Abbau bürokratischer Hürden und die Erhöhung der Mobilität in Europa zum Ziel hat. Die jetzt vorgelegten Gesetzentwürfe konterkarieren allerdings den Sinn der EU-Richtlinie. Statt zum Abbau von Bürokratie und Mobilitätshemmnissen beizutragen, führen sie neue länderspezifische Regelungen und Vorgaben für Ingenieure ein und behindern damit die Mobilität und Flexibilität im deutschen Arbeitsmarkt. Dies wird insbesondere dem Mittelstand die Rekrutierung von dringend gesuchten Ingenieu-ren erschweren.
Die Ausbildung von Ingenieuren gehört zur Kernkompetenz der an-wendungsorientierten Hochschulen in Deutschland. Sie bilden bun-desweit über zwei Drittel der Ingenieur-Absolventen aus. Studie-rende der Ingenieurwissenschaften konnten in Deutschland bislang sicher sein, eine bundesweit und international anerkannte sowie den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand repräsentierende Ausbildung zu erhalten.
Die Qualitätssicherung erfolgt durch die Akkreditierung der Studiengänge, die den Nachweis er-bringen muss, dass diese für den Beruf des Ingenieurs bzw. der In-genieurin qualifizieren. Dieses etablierte System sichert die Qualität künftiger Fach- und Führungskräfte insbesondere für die mittelstän-dische Wirtschaft in Deutschland. Die geplanten zusätzlichen län-dergesetzlichen Vorschriften für Lehrinhalte oder Prüfungen durch wissenschaftsferne, berufsständische Vereinigungen, wie in den Gesetzentwürfen für die Ingenieurkammern vorgesehen, werden dieses Vertrauen massiv beeinträchtigen. Das steht den immensen Anstrengungen von Hochschulen und Wirtschaft entgegen, mehr junge Menschen für ingenieurwissenschaftliche Studienangebote zu gewinnen, und gefährdet den Nachwuchs an Fach- und Führungskräften und die Innovationsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland.
Die Hochschulallianz für den Mittelstand stellt sich daher gegen je-den Versuch, die Freiheit von Forschung und Lehre und den tech-nologischen Fortschritt durch bürokratische Hemmnisse einzugren-zen. „Kleinstaaterei und berufsständische Sonderrechte gehören nicht mehr ins 21. Jahrhundert“, erklärt dazu Prof. Dr. Kristian Bos-selmann-Cyran, Präsident der Hochschule Koblenz und Mitglied in der Hochschulallianz. Für ihn wäre stattdessen der richtige Schritt in Richtung Bürokratieabbau, wenn in Zukunft bundeseinheitlich alle Hochschulen auf ihren Abschlussurkunden eigenverantwortlich da-rauf hinweisen könnten, dass die Absolventen nach dem Ingenieur-gesetz des jeweiligen Bundeslandes die Berufsbezeichnung Inge-nieur tragen dürfen und somit ein gesonderter Antrag bei den Inge-nieurkammern überflüssig würde.
Die Hochschulallianz für den Mittelstand, ein bundesweiter Hochschulverbund, vertritt die Belange anwendungsorientierter Hochschulen in ihrer Funktion als Partner des Mittelstands gegenüber Politik und Gesellschaft. Hochschulen und mittelständische Unternehmen sind ideale Partner: Sie bilden gemeinsam junge Menschen aus, stärken auf diese Weise die Region und arbeiten lösungsorien-tiert in Forschung und Entwicklung zusammen. Die Hochschulen stehen dem Mit-telstand auch in strukturschwachen Regionen partnerschaftlich zur Seite, um das Abwandern junger Talente zu verhindern. Als regionale Entwicklungszentren ha-ben sie eine bindende Funktion und sind ein wirkungsvoller Schutz gegen einen demographisch bedingten Strukturwandel. Sie leisten außerdem einen entschei-denden Beitrag bei der Integration von Migranten und deren Kindern in die aka-demische Welt.
Quelle: Hochschule Koblenz