Als Modellversuch startet die Universität Würzburg in Kooperation mit der Caritas den neuen dualen Studiengang *Akademische Sprachtherapie und Logopädie*. Er startet im Wintersemester und ist bereits ausgebucht.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Störungen der Sprache, des Sprechens, der Stimme und der Kommunikation brauchen professionelle therapeutische Hilfe. Die dazu nötige Fachkompetenz wird in Deutschland bislang auf zwei getrennten Wegen vermittelt: entweder in Studiengängen an Hochschulen oder im Rahmen einer Berufsausbildung in Logopädie.
Welche Nachteile die Ausbildungswege bisher haben
Ein Nachteil des akademischen Wegs besteht darin, dass ein Studium nur Schwerpunktbildungen im Fach Sonderpädagogik/Sprachheilpädagogik erlaubt. Außerdem bewerten die Krankenkassen den Bachelor-Abschluss in
Sonderpädagogik vor allem aufgrund fehlender fachpraktischer Anteile als *nicht generell zulassungsfähig*.
Die Berufsausbildung an einer Fachschule für Logopädie dagegen garantiert die Kassenzulassung aufgrund der staatlichen Abschlussprüfung. Ihr Nachteil liegt hauptsächlich in der fehlenden akademisch-wissenschaftlichen Qualifizierung der Absolventen, die international längst Standard ist.
Warum die Logopädie akademisch werden muss
*Berufsverbände, Wissenschaftler und Praktiker fordern seit vielen Jahren die Akademisierung der Logopädie in Deutschland*, sagt Professor Detlef M. Hansen, Inhaber des Lehrstuhls für Sprachheilpädagogik an der Universität Würzburg. *Das ist nicht nur der ständigen Erweiterung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der enormen Komplexität des interdisziplinären Gegenstandsbereichs geschuldet. Vielmehr bildet die Akademisierung die unabdingbare Basis für die Weiterentwicklung von Methoden und Instrumentarien der Sprachtherapie im Rahmen empirischer Anwendungsforschung. Dazu bedarf es wissenschaftlich qualifizierter Spezialisten, die über praktische Erfahrungen, das nötige Handlungswissen und solide Methodenkenntnisse zur Durchführung theoriegeleiteter empirischer Therapieforschung verfügen.*
Diesen zukunftsweisenden Weg geht die Universität Würzburg nun zusammen mit der Caritas-Schulen gGmbH in Form eines Modellversuchs, der beides miteinander verzahnt. Der duale Studiengang *Akademische Sprachtherapie und Logopädie* startet im Wintersemester 2014/15. Die Resonanz darauf war sehr gut; für die 25 Plätze gab es mehr als 40 Bewerbungen.
Wie der Studiengang gestaltet ist
Integraler Bestandteil des Studiengangs ist die stark praxisbezogene Ausbildung an der Würzburger Caritas-Berufsfachschule für Logopädie. Dort werden die Studierenden sechs Semester lang ausgebildet; parallel dazu absolvieren sie in sieben Semestern ein grundständiges akademisches Studium an der Universität Würzburg.
Der wissenschaftliche Teil der Ausbildung liegt im Verantwortungsbereich der Universität, der Praxisteil bei derSchule. Die angehenden akademisch qualifizierten Sprachtherapeuten und Logopäden sind während der Studienzeit als Studierende an der Universität und zugleich an der Berufsfachschule eingeschrieben.
Entwickelt wurde der interdisziplinäre Studiengang vom Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik in Kooperation mit der Berufsfachschule. Er bestreitet sein umfangreiches universitäres Lehrangebot durch eine enge Zusammenarbeit von Medizinischer Fakultät, Institut für Psychologie und Institut für Sonderpädagogik.
Mehrwert für akademisch qualifizierte Logopäden
Im Würzburger Studiengang *Akademische Sprachtherapie und Logopädie* erwerben die Absolventen gleich zwei berufsqualifizierende Abschlüsse: die staatliche Anerkennung für Logopädie mit Vollzulassung der Krankenkassen und den akademischen Grad *Bachelor of Science*.
*Zusätzlich zur praktischen Berufsausübung auf dem weiten Feld der Sprachtherapie öffnet der Bachelor-Abschluss den akademisch ausgebildeten Logopäden Türen zu weiterer Qualifizierung in Master- und Promotionsstudiengängen und zu eigenständiger wissenschaftlicher Tätigkeit in der Sprachtherapieforschung*, so die Leitung der Berufsfachschule,
Markus Heinzl Mania und Angela de Sunda.
Nicht zuletzt gewinnt man mit dem Modellversuch Anschluss an internationale Standards: In anderen Ländern ist die Logopädie längst eine interdisziplinäre akademische Disziplin. Der neue Bachelor qualifiziert seine Absolventen somit für Arbeitsplätze im Ausland ebenso wie für internationale Forschungsprojekte.
Ähnliche Modellversuche sind bislang selten
Möglich wird der Modellversuch durch eine gesetzliche Modellklausel: Sie betrifft die Einführung von Studiengängen für Therapieberufe und wurde 2009 vom Bundesrat beschlossen. Für die Logopädie existieren unter dieser Modellklausel bundesweit bislang wenige Fachhochschul- und nur zwei Universitätsstudiengänge, nämlich in Aachen und in Erlangen. Bundesweit einmalig ist bisher das Würzburger Modell, bei dem ein privater Schulträger und eine staatliche Universität kooperieren.
Weitere Informationen über den Studiengang: http://bit.ly/studiumlogopaedie