Welches Bild von Afrikanern zeichnen aktuelle Filme und Kunstausstellungen? Dieser Frage gehen drei Professorinnen nach. Dabei stoßen sie auch auf Überzeugungen, die noch aus der Kolonialzeit stammen.
Der Bürgerkrieg, der 1983 im Sudan ausbrach, machte viele Kinder zu Waisen. Manche von ihnen schlugen sich jahrelang alleine durchs Leben, andere wuchsen in Flüchtlingslagern auf. Der US-amerikanische Kinofilm „The Good Lie“ (2014), der bald in Deutschland anlaufen soll, greift dieses Thema auf. Er erzählt die Geschichte junger Sudanesen, die aus einem Flüchtlingslager in die USA gebracht werden. Dort will man ihnen im Rahmen eines Hilfsprogramms ein neues Leben ermöglichen.
„Ein gut gemachter Film“, sagt Professorin Heike Raphael-Hernandez, Kulturwissenschaftlerin und Amerikanistin von der Uni Würzburg. Trotzdem verursacht ihr der Streifen auch leichte Bauchschmerzen – etwa wenn die Sudanesen in den USA ratlos ihre neuen Zahnbürsten betrachten: „Muss man heute noch solche Szenen drehen?“ Nach Ansicht der Professorin kommt darin eine Haltung gegenüber Afrikanern durch, deren Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen.
Das Bild vom „zurückgebliebenen“ Afrikaner
Diese Haltung aus der Kolonialzeit scheint noch heute verbreitet zu sein. Pauschal formuliert, sieht sie so aus: Der westliche Mensch sieht Afrikaner bevorzugt in einer Opferrolle, aus der er ihnen gern heraushilft. Denn im Grunde glaubt er, dass sie ein wenig „zurückgeblieben“ sind und ohne seine Unterstützung nicht klarkommen.
Vor diesem Hintergrund interessiert sich die Würzburger Professorin für spezielle kulturwissenschaftliche Fragen: Welches Bild von Afrikanern zeichnen aktuelle Filme, Ausstellungen und andere visuelle Medien in den Industrienationen? Welches Bild zeigen dagegen afrikanische Film- und Ausstellungsmacher? Was sind die „Lieblingsthemen“ der Regisseure und Organisatoren?
Filmfestivals und Ausstellungen im Blick
Solchen Fragen will Heike Raphael-Hernandez mit zwei Kolleginnen aus den USA auf den Grund gehen, mit Leigh Raiford von der University of California in Berkeley und mit Cheryl Finley von der Cornell University. Dazu werden die drei Filmfestivals und Ausstellungen in Afrika, Europa und den USA besuchen und das dort Gezeigte analysieren.
Die Wissenschaftlerinnen werden unter anderem bei der Filmbiennale in Venedig und beim Pan African Film Festival in Ouagadougou in Burkina Faso sein, dem größten afrikanischen Filmfestival, das ausschließlich afrikanische Filme zeigt. Außerdem statten sie der Documenta in Kassel und der Kunstausstellung Dak’Art in Dakar Besuche ab.
„Wir möchten die Veranstaltungen genau hinterfragen“, sagt die Würzburger Amerikanistin. Welche Filme und Ausstellungsobjekte werden gezeigt? Wer hat sie ausgewählt? Was wird darin thematisiert? Woher kommt das Geld für die Veranstaltungen? Haben Finanziers möglicherweise bestimmte Themen durchgesetzt, weil die sich besser verkaufen lassen? Welches Image wird gefördert?
Geld vom American Council of Learned Societies
Für dieses Forschungsprojekt mit dem Namen „Visualizing Travel, Gendering the African Diaspora“ bekommen die Professorinnen rund 200.000 US-Dollar Fördergeld – vom American Council of Learned Societies (ACLS) im Rahmen eines Collaborative Research Fellowship. Insgesamt zehn Teams werden ab 2015 neu in diesem Programm gefördert, Raphael-Hernandez ist darunter die einzige deutsche Wissenschaftlerin.
Alle drei Forscherinnen kommen aus den „Transatlantic Black Studies“ – einem Gebiet, das sich historisch, kulturell, politisch und wirtschaftlich mit Afrika, dem transatlantischen Sklavenhandel, Sklaverei in der Neuen Welt und ihrem Erbe sowie mit Rassismus befasst. Ein Schwerpunkt von Raphael-Hernandez liegt auf Film und Video, bei Finley sind es Ausstellungen und Museen, bei Raiford ist es die Fotografie.
Schwarze Frauen als Opfer
Ein Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Darstellung schwarzer Frauen, denen in visuellen Medien sehr oft eine Opferrolle zugedacht wird: Beschneidung, Zwangsheirat, Unterdrückung und Missbrauch durch den Ehemann, all diese Themen tauchen oft in der Literatur und in Filmen auf. Wo sind schwarze Frauen Opfer, wo und vor allem wie kommen sie aus der Opferrolle heraus? Wie stellen sie sich selbst in der Kunst dar? „Alles spannende Fragen, über die wir in zwei Jahren mehr wissen werden, wenn das Projekt beendet ist“, so Raphael-Hernandez.
Quelle: Universität Würzburg.