Spitzenmanager im Verständlichkeits-Check: Die Reden deutscher CEOs sind immer besser zu verstehen. Dies ist das Endergebnis einer Studie der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt. Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team untersuchen, wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30-Unternehmen auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen sprechen.
Im Schnitt erreichen die Werte in diesem Jahr 13,0 Punkte auf einer Skala von 0 bis 20. Damit hat sich die formale Verständlichkeit nun zum dritten Mal in Folge verbessert. Nach dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex teilen sich gleich drei Redner den Spitzenplatz für die formal verständlichste Rede auf den Hauptversammlungen 2015. Mit je 18,4 Punkten führen Timotheus Höttges (Telekom), Norbert Reithofer (BMW) und Ulf Schneider (Fresenius SE) das CEO-Ranking in diesem Jahr an. Reithofer hält damit sowohl die Punktzahl als auch die Platzierung des Vorjahres konstant. Platz zwei belegt der Chef der Deutschen Post, Frank Appel, mit 17,7 Punkten. Martin Blessing (Commerzbank) und Martin Winterkorn (VW) teilen sich mit je 17,2 Punkten den dritten Rang. Verbesserung bei fast allen Rednern Deutlich mehr Wirtschaftsbosse als im Vorjahr haben Reden gehalten, die sich nicht nur an Anleger, Analysten sowie Finanz- und Wirtschaftsexperten richten.
Im Schnitt erreichen sie einen Verständlichkeitswert von 13,0 Punkten – das sind 0,7 Punkte mehr als im Vorjahr (12,3) und sogar 3,1 Punkte mehr als im ersten Jahr der Erhebung, 2012 (9,8). „Erfreulicherweise hat sich damit zum dritten Mal in Folge die formale Verständlichkeit der Reden im Vergleich zum Vorjahr verbessert“, erläutert Prof. Dr. Frank Brettschneider, Inhaber des Lehrstuhls Kommunikationstheorie an der Universität Hohenheim. Einige Redner bemühen sich Fachsprache so zu übersetzen, dass auch fachfremde Personen den Inhalt der Rede verstehen. „Für den Auf- und Ausbau von Reputation ist dies sinnvoll“, meint Prof. Dr. Brettschneider. Einen besonders deutlichen Verständlichkeits-Sprung, so der Experte, haben in diesem Jahr vor allem Martin Winterkorn (VW) und Marijn Dekkers (Bayer) mit über vier Punkten Verbesserung zu verzeichnen.
Einige verpasste Gelegenheiten Dennoch verschenken nach wie vor einige Spitzenmanager die Chance, mit ihren Reden eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Auf den hinteren Plätzen im CEO-Ranking finden sich, wie schon im Jahr 2014, Allianz-Chef Michael Diekmann (8,4 Punkte) und der neue Vorstand der Linde AG, Wolfgang Büchele (8,3 Punkte). Das Schlusslicht bildet Reto Francioni (Deutsche Börse), der sich zu seinem Abschied von 9,6 auf 8,1 Punkte verschlechtert. Verständlichkeitshürden Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe schmälern die Verständlichkeit am meisten, erklärt Prof. Dr. Brettschneider.
„Das Ergebnis ist dann Kauderwelsch statt Klartext.“ Beispiele: Bandwurmsätze 2015 1. „Die Gründung von E.ON als offensive Antwort auf die Liberalisierung der europäischen Energiemärkte, die Auflösung der überkommenen Konglomerats-Struktur mit einem 100-Milliarden-Euro-Programm aus Beteiligungsverkäufen und -erwerben, die Fokussierung auf das Energiegeschäft und dessen entschlossener europäischer Ausbau, die Übernahme von Ruhrgas, um die Grenzen zwischen Strom- und Gasgeschäft zu überwinden – immer haben wir die Kraft gehabt, uns neu aufzustellen, wenn die Zeit dies erforderte.“ (62 Wörter) (E.ON, Teyssen) 2. „Wir sind bei der Installation der HGÜ-Plattformen in der Nordsee deutlich vorangekommen und konnten die gemachten Erfahrungen dazu nutzen, Neuaufträge mit deutlich verbesserten Rahmenbedingungen zu landen, beispielsweise bei Borwin 3 mit einem Auftragsvolumen von fast 1 Milliarde Euro für das Konsortium, an dem Siemens beteiligt ist.“ (46 Wörter) (Siemens, Kaeser) 3. „Meine Vorstandskollegen und ich wünschen uns, dass Sie uns auf diesem Weg weiter begleiten, denn wir sind davon überzeugt, dass wir mit dem eingeschlagenen Weg die besten Voraussetzungen schaffen, um Linde zum leistungsfähigsten Unternehmen unserer Industrie zu machen, zur unangefochtenen Nummer Eins der Branche.“ (44 Wörter) (Linde, Büchele)
Beispiele: Wortungetüme und Fachbegriffe 2015 • Betriebsunterbrechungsversicherungen (Münchener Rück, von Bomhard) • Derivateclearing (Deutsche Börse, Francioni) • Marktinfrastrukturregulierung (Deutsche Börse, Francioni) • disruptive Technologien (Merck, Kley) • aero-derivative Gasturbinen (Siemens, Kaeser) • Non-IFRS-Zahlen (SAP, McDermott) • Fixed Index Annuities (Allianz, Diekmann) • RWE-Energie-Controlling-System (RWE, Terium) • Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen (Beiersdorf, Heidenreich) Klartext überzeugt Die formale Verständlichkeit sei zwar nicht das einzige Kriterium für eine gelungene Rede, betont Prof. Dr. Brettschneider. Wichtiger noch sei der Inhalt. Und hinzu kämen Kriterien wie der Aufbau der Rede oder der Vortragsstil. Dennoch sollte ein Redner nicht vergessen: „Formal verständliche Botschaften werden von den Zuhörern besser verstanden und erinnert. Und verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche“, hält der Experte fest. Daher sollte man laut Prof. Dr. Brettschneider einige Grundregeln für verständliche Reden einhalten: kurze Sätze, gebräuchliche Begriffe, Fachbegriffe übersetzen und zusammengesetzte Wörter möglichst vermeiden. „Denn nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen.“
Hintergrund: Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team berechnen den Hohenheimer Verständlichkeitsindex mit Hilfe einer speziellen Verständlichkeitssoftware. Anhand der Rede-Manuskripte ermittelt die Software formale Kriterien wie beispielsweise durchschnittliche Satzlänge, Anteil der Sätze mit mehr als 20 Wörtern, Anteil der Passiv-Sätze, Anteil der Schachtelsätze und der Sätze mit mehr als zwei Informationseinheiten. Außerdem erfasst die Software Parameter wie durchschnittliche Wortlänge, Anteil abstrakter Substantive, Anteil Fremdwörter und Anteil der Wörter aus dem Grundwortschatz. Der Index reicht von 0 (formal unverständlich) bis 20 (formal sehr verständlich). Die Studie wird zum vierten Mal in Kooperation mit dem Handelsblatt durchgeführt.
Text: Elsner
Quelle: Universität Hohenheim