Elektronische Prüfungen ermöglichen bessere Bedingungen für Prüfer und Prüfling. Die Korrekturzeit von Freitextaufgaben verringert sich um bis zu 40 Prozent
Statt Klausurbögen, Aufgabenzetteln und Stifte liegen aufgeklappte Laptops auf den Tischen des Audimax. Es ist E-Klausuren-Phase an der Universität Siegen. Die Hochschule hat ein dreijähriges Pilotprojekt „E-Klausuren“ gestartet. Die E-Klausur wird im Gegensatz zur herkömmlichen Klausur komplett über ein Online-System erstellt, korrigiert und bewertet. Der Prüfling absolviert die Klausur an einem speziellen Laptop. Insgesamt sind bereits rund 500 Studierende in drei Kohorten beim ersten E-Klausur-Tag angetreten. Das Pilotprojekt sieht insgesamt 22 E-Prüfungstage vor, durchschnittlich drei bis vier pro Semester. Die Firma IQuL hatte nach einer deutschlandweiten Ausschreibung den Zuschlag erhalten und liefert die komplette Hard- und Software für die E-Klausuren sowie die technische Betreuung vor Ort. Bis zu 225 E-Klausuren können zeitgleich an der Universität Siegen absolviert werden, über verschiedene Räumlichkeiten verteilt. Die Laptops sind alle baugleich, nur für die Prüfungssoftware nutzbar und in ein eigenes WLAN-Netz eingebunden, das von IQuL vor Ort ausschließlich für die Prüfungen eingerichtet wird. Mit der mobilen Lösung kann die E-Klausur prinzipiell in jedem Raum der Universität Siegen durchgeführt werden.
Schnellere Korrektur auch bei Freitext-Aufgaben
Die E-Klausuren haben erhebliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Klausuren. Sie ermöglichen eine rechtlich abgesicherte Prüfung bei hoher Teilnehmerzahl mit großem Mehrwert für Prüfer und Prüfling. Personal und Zeit wird bei der Korrektur eingespart, auch bei Freitext-Aufgaben. Die Entzifferung der schnell geschwungenen Handschrift auf dem Klausurbogen kostet den Korrektor mitunter Zeit und Nerven. Bei der E-Klausur erscheint der Text in gut lesbarer digitaler Schrift auf dem Bildschirm. „Bisherige E-Klausuren des Anbieters für andere Hochschulen haben gezeigt, dass sich die Korrekturzeit von Freitextaufgaben um bis zu 40 Prozent verringert hat. Bei geschlossenen Fragetypen wie Multiple-Choice sind Einsparungen bis zu 90 Prozent möglich“, sagt Julia Dauwe. Zusammen mit Prof. Dr. Roland Wismüller, Chief Information Officer, betreut Dauwe das Pilotprojekt an der Universität Siegen.
Vorteile ergeben sich auch bei der Klausur-Vorbereitung. Die bereitgestellte Software Q[kju:] bietet eine komplette Prüfungsorganisation und -verwaltung. So kann ein Pool mit Prüfungsaufgaben eingerichtet werden, aus dem der Prüfer zufällig oder gezielt Fragen für eine Klausur auswählen kann. Aufgaben aus verschiedenen Teilveranstaltungen können so für eine übergeordnete Modulabschluss-Klausur per Klick zusammengestellt werden. Zudem stehen Aufgaben-Typen zur Verfügung, die bei einer herkömmlichen Klausur nicht möglich sind. So können Multimedia-Inhalte eingebunden oder Fragenfolgen eingerichtet werden, bei der Teillösungen direkt korrigiert werden, um nicht mit einem falschen Ergebnis weiterzurechnen. Bislang werden zwölf verschiedene Aufgabentypen angeboten, von Multiple-Choice, über Freitext, bis hin zu Drag-and-drop-Lösungen. Für die Online-Korrektur gibt es verschiedene technische Hilfsmittel wie eine Schnellsuche, Stichwortvergabe sowie Möglichkeiten zur Sortierung und Gruppierung von Lösungsabschnitten.
Qualität der Prüfungen verbessern
Die Softwarelösung erleichtert auch die Sicherung und Verbesserung der Prüfungsqualität. Der schnelle Zugriff über das Online-System auf die umfassenden Daten lässt ungenaue oder nicht angemessene Fragestellungen schnell erkennen. Eine Verbesserung für die Prüflinge, die bei der E-Klausur wesentlich schneller mit dem Prüfungsergebnis rechnen können.
Während der Pilotphase werden die Kosten für die E-Klausuren komplett vom Rektorat übernommen. Dazu gehören rund 75.000 Euro für die einmalige Einrichtung der Infrastruktur wie Softwarelizenz, Server, Installation und Mitarbeiterschulung. „Wir zielen nicht vorrangig darauf, eine kostengünstigere Klausur anzubieten“, sagt Dr.-Ing. Andreas Hoffmann. „Wir wollen mit der Pilotphase ein Umdenken bei den Prüfern anstoßen, damit sie die technischen Möglichkeiten der E-Klausur für qualitativ bessere Prüfungen nutzen“, sagt Hoffmann, der seit mehr als 10 Jahren zu „E-Klausuren“ forscht.
Sarah Roß ist bereits überzeugt: „Unsere Prüfung ist prädestiniert für eine E-Klausur“, sagt die Mitarbeitern am Lehrstuhl für Germanistik – Sprachwissenschaft II. Mehr als 500 Studierende haben bei ihr „Grammatikgrundwissen“ als erste E-Klausur im Rahmen des Pilotprojekts geschrieben. Die Studierenden mussten am Laptop einen Satz unter diversen grammatischen Gesichtspunkten analysieren, indem sie jedem Wort die jeweils richtigen Lösungen über Auswahlmenüs zuordneten. „Die Technik hat reibungslos funktioniert und die Korrektur ging sehr schnell“, sagt Roß begeistert.