Wissenschaftlerinnen der Universität Bremen legen Modellrechnungen zu den unmittelbaren und mittelbaren Folgen der Wirtschaftssanktionen für Produktion und Beschäftigung in Deutschland vor
Die EU hat jüngst die Sanktionen gegenüber Russland bis zum 31. Januar 2017 verlängert. Sie umfassen neben der Beschränkung von Finanztransaktionen vor allem Ausfuhrverbote für Waffen und sogenannte Dual-Use-Güter, die für militärische Zwecke verwendet werden können, sowie für Maschinen und Zubehör zur Öl- und Gasförderung. Die russischen Gegensanktionen betreffen insbesondere Einfuhrverbote für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel. Ein Forscherteam der Universitäten Bremen und Leipzig hat die Effekte der Sanktionspolitik im Bereich der Realwirtschaft auf Produktion und Beschäftigung in der deutschen Wirtschaft abgeschätzt.
Deutsche Exporte nach Russland auf Talfahrt
Mit der Umsetzung der Sanktionen hat sich der bereits 2013 einsetzende Rückgang der deutschen Exporte nach Russland deutlich verstärkt. Im Jahr 2015 lag der Exportanteil Russlands bei weniger als 2% (2012: 3,6%). Die Folgen des Rückgangs der deutschen Exporte in den Jahren 2014/15 in Höhe von 14 Mrd. Euro insgesamt bzw. 4,4 Mrd. Euro sanktionsbedingt sowie für 2016 geschätzte weitere 2,6 Mrd. Euro treffen nicht nur die Exportunternehmen, sondern auch deren Zulieferer.
Um die Wirkungen des Exportschocks auf Produktion und Beschäftigung in Deutschland umfassend abzuschätzen, müssen auch die Verluste im Bereich der Lieferverflechtungen in die Analyse eingehen. Dazu wird die Input-Output-Analyse herangezogen.
Realwirtschaftliche Folgen der Sanktionspolitik
Die Berechnungen für Deutschland weisen auf einen Produktionswegfall entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Exportgüter von fast 40 Mrd. insgesamt bzw. 13,5 Mrd. Euro sanktionsbedingt im Zeitraum 2014 bis 2015 hin. Dies geht mit sanktionsbedingten Beschäftigungsverlusten in Höhe von fast 60.000 Personen einher. Im Jahr 2016 kann der sanktionsbedingte Produktionsverlust fast 7,8 Mrd. Euro erreichen. Das entspricht Einbußen an Bruttowertschöpfung in Höhe von 2,6 Mrd. Euro und einem jahresdurchschnittlichen BIP-Verlust von weniger als 0,1%.
Der kumulierte BIP-Verlust (2014 bis 2016) beläuft sich auf knapp ein Viertel Prozent des deutschen BIP von 2015. Exportorientierte Sektoren mit starken Zulieferbeziehungen sind besonders betroffen, bspw. die Automobilindustrie, der Maschinenbau sowie die Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Der Nahrungsmittelsektor weist zwar einen erheblichen Exportrückgang in Höhe von über 30% im Jahr 2014 auf, der Produktionsverlust ist aber vergleichsweise moderat.
Nachhaltiges Schadenspotential der Sanktionen
Der wirtschaftliche Schaden der Sanktionen ist deutlich größer als die reinen Exportrückgänge; denn die indirekten Effekte auf Produktion und Beschäftigung sind durchweg höher als die direkten Verluste, weil stärker verflochtene Sektoren (z.B. Automobilindustrie, Maschinenbau, Metallbranche) von der Sanktionspolitik besonders betroffen sind. Mit der Dauer der Sanktionspolitik steigen die Belastungen.
So können für 2014 8,7% des Produktionsverlustes infolge des Exportwegfalls auf die Sanktionen zurück geführt werden, während der Anteil 2015 bereits 56% erreichte. 2016 kann er 50% überschreiten. Außerdem bergen anhaltende Sanktionen das Risiko, Märkte an die Konkurrenz auf lange Zeit zu verlieren und auch die nicht-sanktionierten Bereiche sowie die Energieversorgungs- und die Direktinvestitionsbeziehungen mit Russland zu belasten.
Quelle: Uni Bremen