Verstärken Förderprogramme die Bildungsunterschiede?
Studie des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln zeigt Ursachen des Matthäus-Effekts bei der Förderung bildungsbenachteiligter Schüler
Förderprogramme an Schulen helfen Kindern und Jugendlichen, sich zu verbessern. Die aktuellen Maßnahmen reichen jedoch oftmals nicht aus, um die Lücke zwischen bildungsbenachteiligten und nicht-benachteiligten Kindern zu schließen. Im Gegenteil: leistungsstarke Kinder und Jugendliche profitieren oftmals stärker von einer Förderung als leistungsschwache.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln, die den Matthäus-Effekt bei der Bildungsförderung untersucht. Wenn sich die Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Startchancen trotz einer Förderung weiter auseinanderentwickeln, deutet das auf den Matthäus-Effekt hin.
Der Effekt hängt zum einen mit der Motivation zusammen. Bildungsbenachteiligte Schülerinnen und Schüler haben oft schlechte Erfahrungen mit der Schule gemacht und sind dementsprechend demotiviert. Ihr Zugang zu ökonomischen und kulturellen Ressourcen, die sie zum Lernen brauchen, ist außerdem eingeschränkt. Viele Familien haben zum Beispiel keinen Internetzugang oder Computer und die Schülerinnen und Schüler haben den kritischen Umgang mit digitalen Medien nicht erlernt. Auch Lehrkräfte tragen mit Vorurteilen über Schülerinnen und Schüler aus bestimmten sozialen Milieus zum Matthäus-Effekt bei, indem sie ihnen trotz gleicher Leistungen seltener eine Empfehlung für das Gymnasium aussprechen als Akademikerkindern.
Für die Studie wurden sieben Schulleitungen verschiedener Schulformen aus Köln-Chorweiler zu ihren Erfahrungen mit zusätzlicher Förderung für bildungsbenachteiligte Schülerinnen und Schüler an ihren Schulen befragt. Chorweiler gilt als Stadtteil mit hoher Arbeitslosigkeit, niedrigem Durchschnittseinkommen und hohem Anteil an Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Die Interviews zeigen, dass Schulen an sozial benachteiligten Standorten wie Chorweiler nicht die zeitlichen, personellen und räumlichen Kapazitäten haben, Förderprogramme zu etablieren. Die Schülerinnen und Schüler sind mit der Vielzahl an Förderungen oft zeitlich überfordert.
Die Autorinnen der Studie diskutierten die Ergebnisse in einer Expertenrunde mit Koordinatoren von Bildungsförderprogrammen, Akteuren der Lehrerbildung und Lehramtsstudierenden. Sie kommen zu dem Schluss, dass bereits im Studium für das Thema Bildungsgerechtigkeit sensibilisiert werden muss. Auch sprechen sie sich dafür aus, Anreize für gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen, an Brennpunktschulen zu unterrichten, und die Lohnunterschiede zwischen den Schulformen auszugleichen. Der formale Zugang zu Förderprogrammen muss darüber hinaus für Schulen deutlich erleichtert werden. Aktuell decken die Förderprogramme den Bedarf nicht ab.
Quelle: Universität zu Köln / Zentrum für LehrerInnenbildung